Diabetes ist eine Volkskrankheit, die allein in Deutschland mehrere Millionen Menschen betrifft und die abhängig vom Schweregrad dauerhaft behandelt werden muss. Oft mit der täglichen Dosis Insulin. Nun ist Insulin als kleines Eiweißmolekül sehr empfindlich und würde bei der Magenpassage zerstört werden, wenn es einfach so geschluckt werden würde. Deshalb muss ein insulinpflichtiger Diabetiker seine tägliche Dosis Insulin immer spritzen.
Das ist lästig, aufwendig und kostet vielen Diabetikern erheblich Überwindung. Deshalb begann schon vor einigen Jahren die Suche nach Möglichkeiten, Insulin auch anders als mit der Spritze zu verabreichen. Neben Nasensprays konzentriert sich die Entwicklung auf Hightech Tabletten und Kapseln, mit denen das Insulin unbeschadet die Magen-Darm-Passage übersteht und resorbiert werden kann.
Orale Bioverfügbarkeit von Insulin ein Problem
Erste Erfolge können die Entwickler auch vorweisen. So konnten verschiedene Forschergruppen unabhängig voneinander Tabletten und Kapseln entwickeln, mit denen das Insulin unbeschadet aufgenommen werden kann und in den Blutkreislauf gelangt. In beiden Fällen handelt es um sehr komplexe pharmazeutische Konstrukte, die das empfindliche Insulin an den Ort der Aufnahme transportieren. Eine von den Forschern entwickelte Insulin-Kapsel spritzt mit einer Nanonadel das Hormon direkt in die Magenwand, sobald die Kapsel geschluckt und im Magen angekommen ist. Anders die Insulin-Tablette. Das Insulin ist in ihr so verpackt, dass es die Magensäure unbeschadet übersteht und erst im Darm aus der Tablette so eingehüllt freigesetzt wird, dass es unzerstört resorbiert werden kann. Egal ob Tablette oder Kapsel, mit beiden Darreichungsformen gelingt es, ausreichend Insulin in den Blutkreislauf zu bringen, um eine wirksame Blutzuckerkontrolle zu erreichen. Allerdings zu einem im Wortsinn hohen Preis.
Das Problem heißt Bioverfügbarkeit, wird doch nur ein recht bescheidener Teil des in Kapsel oder Tablette befindlichen Insulin tatsächlich in den Blutkreislauf aufgenommen. Der Rest wird wieder ausgeschieden. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es sich um ein in beliebigen Mengen zur Verfügung stehendes Arzneimittel handeln würde. Das ist bei Insulin nicht der Fall. Seine Herstellung ist weder billig noch in unbegrenzten Mengen möglich. Deshalb ist jede nicht resorbierte Einheit eine teure Verschwendung, die als Spritze therapeutisch sinnvoll genutzt werden könnte. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob in absehbarer Zeit Insulin in Tabletten oder Kapseln zum Schlucken zur Verfügung stehen wird. Eine deutliche Verbesserung der Bioverfügbarkeit des Hormons könnte deren kurzfristige Marktchancen erhöhen.
Fazit: Es ist dank pharmazeutischer Hightech-Entwicklungen möglich, Insulin auch in oralen Darreichungsformen therapeutisch zu nutzen. Wegen der geringen Bioverfügbarkeit aus solchen Kapseln oder Tabletten, muss pro Tablette oder Kapseln viel mehr Insulin geschluckt werden, als bei vollständiger Resorption notwendig wäre. Dies treibt potenziell den Preis solcher Produkte in die Höhe und könnte bei limitierten Produktionskapazitäten zu Versorgungsengpässen mit Insulin führen. Deshalb ist mit einer schnellen Markteinführung von „oralem Insulin“ nicht zu rechnen.