Grad der Behinderung (GdB) ist ein juristischer Begriff im deutschen Schwerbehindertenrecht. Er bezeichnet das Maß der Beeinträchtigung einer Person, die durch eine Behinderung in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dauerhaft eingeschränkt ist. Dieser Grad wird auf einer Skala von 20 bis 100 quantifiziert, wobei höhere Zahlen eine schwerere Behinderung anzeigen.
Die Feststellung des GdB erfolgt durch das Versorgungsamt oder die von den Bundesländern bestimmten Behörden. Dabei finden verschiedene gesundheitliche Einschränkungen und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben Berücksichtigung. Die Einstufung wird nach festgelegten Richtlinien vorgenommen, welche die verschiedenen Beeinträchtigungen bewerten und ins Verhältnis setzen.
Ein GdB von mindestens 50 qualifiziert eine Person in Deutschland als schwerbehindert. Mit diesem Status sind bestimmte Nachteilsausgleiche und Rechte verbunden, darunter steuerliche Erleichterungen, zusätzlicher Urlaub, Kündigungsschutz und eventuell bevorzugte Behandlung bei der Vergabe von öffentlichen Wohnungen und Arbeitsplätzen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen im beruflichen und sozialen Umfeld zu fördern.
Definition der Behinderung
Die Definition der Behinderung ist im deutschen Recht klar festgelegt und bildet die Basis für eine Einstufung des Grades der Behinderung.
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzliche Grundlage für die Definition von Behinderung in Deutschland liefert das Sozialgesetzbuch (SGB), insbesondere das Neunte Buch (SGB IX). Es definiert Behinderung als einen Zustand, der von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Dieser Zustand muss eine Dauer von mindestens sechs Monaten haben und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigen.
Begriffsbestimmung
Der Begriff der Behinderung umfasst körperliche, geistige und seelische Einschränkungen. Diese Einschränkungen führen zu einer langfristigen Beeinträchtigung der Teilhabe an der Gesellschaft, wie sie für das jeweilige Lebensalter üblich ist. Dabei wird nicht nur das Vorliegen einer Störung betrachtet, sondern auch, inwieweit die Person in ihrer Interaktion mit der Umwelt beeinträchtigt ist.
Ermittlung des Grades der Behinderung
Bei der Ermittlung des Grades der Behinderung (GdB) sind gesetzlich festgelegte Verfahren zu befolgen, die eine objektive und gerechte Bewertung der Beeinträchtigung gewährleisten sollen.
Medizinische Begutachtung
Die Ermittlung des GdB beginnt mit einer medizinischen Begutachtung. Hierbei wird der Antragsteller von einem unabhängigen Facharzt oder einem Gutachter des Versorgungsamtes gründlich untersucht. Die Untersuchung dient dazu, Art und Schwere der Behinderung zu dokumentieren und zu bewerten. Es werden aktuelle medizinische Befunde sowie die Auswirkungen der Behinderung auf das tägliche Leben betrachtet.
Anwendung des Versorgungsmedizin-Verzeichnis
Auf Basis der erhobenen medizinischen Befunde wird der GdB mithilfe des Versorgungsmedizin-Verzeichnisses bestimmt. Dieses Verzeichnis enthält detaillierte Kriterien und Gradationen, die festlegen, welcher GdB bei bestimmten Beeinträchtigungen angemessen ist. Die Bewertung orientiert sich an typischen Auswirkungen einer Beeinträchtigung im Vergleich zu einem gesunden Menschen gleichen Alters. Jede festgestellte Funktionseinschränkung wird einzeln bewertet und in den Gesamt-GdB eingerechnet.
Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis ist ein amtliches Dokument in Deutschland, das Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 anerkannt als schwerbehindert ausweist.
Voraussetzungen für die Ausstellung
Eine Person muss bei dem für ihren Wohnsitz zuständigen Versorgungsamt einen Antrag stellen, um einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten. Dieser Antrag erfordert:
- Ein amtlicher Nachweis über den Grad der Behinderung (GdB).
- Ein ärztliches Gutachten, das den Grad der Behinderung dokumentiert.
Rechte und Nachteilsausgleiche
Inhaber eines Schwerbehindertenausweises haben Anspruch auf verschiedene Rechte und Vergünstigungen, die als Nachteilsausgleiche bekannt sind. Dazu zählen unter anderem:
- Fahrgeldermäßigung oder Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr.
- Steuerermäßigungen, wie beispielsweise einen erhöhten Pauschbetrag.
- Arbeitsrechtliche Schutzrechte, wie zusätzliche Urlaubstage und besonderer Kündigungsschutz.
- Ermäßigung oder Befreiung von Rundfunkbeiträgen und Telefonkosten.
Diese Rechte dienen dazu, die Auswirkungen der Behinderung im Alltag zu mildern und die gesellschaftliche Teilhabe zu erleichtern.
Widerspruchsverfahren und Klage
Nach der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) können Betroffene, die mit der Entscheidung nicht zufrieden sind, Widerspruch einlegen und notfalls vor dem Sozialgericht klagen.
Widerspruchseinlegung
Sobald der Bescheid über den Grad der Behinderung von der zuständigen Behörde zugestellt wird, hat der Betroffene in der Regel einen Monat Zeit, um Widerspruch gegen die Entscheidung einzulegen. Der Widerspruch muss schriftlich bei der Behörde eingereicht werden, die den Bescheid erlassen hat. Es wird empfohlen, den Widerspruch zu begründen und gegebenenfalls zusätzliche medizinische Unterlagen beizufügen, um die eigene Argumentation zu stärken.
Sozialgerichtliches Verfahren
Führt der Widerspruch nicht zum gewünschten Ergebnis, kann der Betroffene Klage beim Sozialgericht erheben. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides eingereicht werden. Im sozialgerichtlichen Verfahren überprüft das Gericht den Sachverhalt erneut vollumfänglich. Der Kläger hat das Recht auf einen Anwalt und kann auch weitere Beweismittel wie ärztliche Gutachten einbringen. Die Entscheidung des Sozialgerichts kann unter Umständen weiter angefochten werden.
Grad der Behinderung und Arbeitsleben
Im Arbeitsleben spielen der Grad der Behinderung (GdB) und die sich daraus ergebenden Rechte der betroffenen Personen eine wichtige Rolle. Unternehmen sind zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet, und Arbeitnehmer profitieren von speziellem Schutz.
Beschäftigungspflicht von Schwerbehinderten
Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich dazu verpflichtet, eine Quote von 5% der Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Für jede nicht besetzte Pflichtstelle müssen sie eine Ausgleichsabgabe zahlen. Die Höhe dieser Abgabe richtet sich nach der Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen und dem Grad der Erfüllung der Beschäftigungsquote.
Kündigungsschutz
Der Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen geht über den allgemeinen Kündigungsschutz hinaus. Bei einer beabsichtigten Kündigung ist zunächst die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich. Dieses prüft, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder ob der Arbeitsplatz mit zumutbaren Mitteln erhalten werden kann. Eine Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen muss eingehalten werden.
Steuerliche Vorteile und Freibeträge
Personen mit einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) können in Deutschland von verschiedenen steuerlichen Vorteilen profitieren. Der Staat sieht für sie bestimmte Freibeträge vor, um ihre steuerliche Belastung zu reduzieren. Diese Freibeträge richten sich nach dem Grad der Behinderung und sind gestaffelt.
Ein Pauschbetrag kann ohne Einzelnachweise bei der Einkommensteuererklärung angegeben werden. Je höher der GdB, desto höher der Pauschbetrag:
- GdB von 30 bis 40: 310 Euro pro Jahr
- GdB von 50 bis 60: 430 Euro pro Jahr
- GdB von 70 bis 80: 570 Euro pro Jahr
- GdB von 90 bis 100: 720 Euro pro Jahr
Zusätzliche Pauschbeträge sind vorgesehen für Personen, die hilflos sind oder die Merkzeichen H, Bl, oder Gl besitzen.
Steuerpflichtige können außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Hierzu zählen Aufwendungen, die durch die Behinderung entstehen und einen gewissen Eigenanteil übersteigen. Diese können detailiert in der Steuererklärung aufgeführt werden und umfassen Kosten wie:
- Medizinische Behandlungen
- Hilfsmittel
- Rehabilitationsmaßnahmen
- Fahrtkosten zu Ärzten
Ferner ermöglicht das Steuerrecht unter bestimmten Voraussetzungen einen erhöhten Freibetrag für Alleinerziehende mit einem Kind, das einen GdB hat.
Es ist ratsam, dass sich Betroffene von einem Steuerberater oder dem Finanzamt beraten lassen, um ihre steuerlichen Vorteile optimal zu nutzen und alle relevanten Ausgaben und Pauschbeträge korrekt in der Steuererklärung anzugeben.
Pflegeleistungen und Unterstützung
Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) haben Anspruch auf verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten und Pflegeleistungen, die darauf abzielen, ihre Lebensqualität zu verbessern. Diese Unterstützungsangebote reichen von finanzieller Hilfe über physische Hilfen bis hin zur persönlichen Pflege.
Pflegeversicherung
Die Pflegeversicherung ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Sicherungssystems in Deutschland. Sie bietet Leistungen an, die darauf ausgerichtet sind, die Pflegebedürftigen in ihrem Alltag zu unterstützen. Personen mit einem festgestellten Pflegegrad haben Anspruch auf verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung:
- Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen
- Pflegesachleistungen für professionelle Pflegekräfte
- Kombinationsleistung aus Pflegegeld und Pflegesachleistungen
- Tages- und Nachtpflege
- Vollstationäre Pflege
Diese Leistungen sollen helfen, die Selbständigkeit und die Fähigkeit zur Ausführung alltäglicher Aktivitäten zu erhalten oder zu verbessern.
Hilfsmittel und technische Unterstützung
Zur weiteren Förderung der Autonomie und Mobilität können Personen mit einem anerkannten GdB von verschiedensten Hilfsmitteln und technischen Unterstützungen profitieren. Diese Hilfsmittel sind so konzipiert, dass sie die individuellen Beeinträchtigungen ausgleichen und eine größtmögliche Partizipation am gesellschaftlichen Leben ermöglichen:
- Mobilitätshilfen: Rollstühle, Gehhilfen
- Alltagshilfen: Spezielle Bestecke, rutschfeste Matten
- Kommunikationshilfen: Hörgeräte, spezielle Telefone
- Lesegeräte für blinde oder sehbehinderte Menschen
Die Kosten für diese Hilfsmittel werden in vielen Fällen von den Krankenkassen übernommen, sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt.
Parkausweis für Schwerbehinderte
Ein Schwerbehindertenausweis berechtigt Menschen mit Behinderungen in vielen Fällen zum Bezug eines Parkausweises. Dieser Parkausweis ermöglicht das Parken auf reservierten Parkplätzen, die besonders nahe am Zielbereich liegen.
Voraussetzungen:
- Ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 für Mobilitätseinschränkungen.
- Sondervoraussetzungen für außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“).
- Bestimmte innere Leiden, die die Mobilität ebenso schwerwiegend einschränken (Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“).
Beantragung:
- Antrag beim zuständigen Straßenverkehrsamt oder gegebenenfalls bei der Gemeindeverwaltung stellen.
- Offizieller Nachweis über den Grad der Behinderung und die Berechtigung zum Führen des Merkzeichens „aG“, „Bl“ oder „H“ muss vorgelegt werden.
- Passbild und persönliche Daten sind für die Ausstellung des Parkausweises erforderlich.
Nutzung:
- Der Parkausweis ist in der Regel auf die Person und nicht auf ein bestimmtes Fahrzeug ausgestellt.
- Er muss gut sichtbar im Fahrzeug platziert sein.
- Berechtigt zum Parken auf gekennzeichneten Schwerbehindertenparkplätzen.
Gültigkeit:
- Der Parkausweis hat ein Ablaufdatum und muss bei Bedarf erneuert werden.
- Die Gültigkeit und Anerkennung kann international variieren.
Reiseerleichterungen
Personen mit einem anerkannten Grad der Behinderung (GdB) können Anspruch auf verschiedene Reiseerleichterungen haben, die darauf abzielen, ihnen die Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben zu erleichtern. Diese Reiseerleichterungen können sich positiv auf die Mobilität und Lebensqualität auswirken.
Öffentliche Verkehrsmittel
Viele Verkehrsverbünde bieten ermäßigte Tarife oder spezielle Tickets für Personen mit Behinderung. Der Nachweis hierfür ist in der Regel der Schwerbehindertenausweis mit gültiger Wertmarke.
- Kostenlose Begleitperson: Bei einem Vermerk „B“ im Schwerbehindertenausweis darf eine Begleitperson kostenlos mitfahren.
- Platzreservierung: Sie kann oft kostenfrei oder zu reduzierten Preisen erfolgen.
Parken
Inhaber eines blauen EU-Parkausweises dürfen auf behindertengerechten Parkplätzen parken, die näher an Eingängen oder Ausgängen gelegen sind.
- Parkerleichterungen: In einigen Städten dürfen diese Parkausweisinhaber auch in Fußgängerzonen oder auf Anwohnerparkplätzen parken.
Flugreisen
Fluggesellschaften bieten spezielle Dienstleistungen für Reisende mit Einschränkungen, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Rollstühlen oder Assistenz beim Boarding.
- Vorab-Benachrichtigung: Es wird empfohlen, die Fluggesellschaft vorab über besondere Bedürfnisse zu informieren.
Bahnreisen
Die Deutsche Bahn stellt Menschen mit Behinderung Hilfestellung beim Ein- und Aussteigen sowie spezielle Sitzplätze zur Verfügung.
- Mobilitätsservice-Zentrale: Es kann eine Unterstützung über die Mobilitätsservice-Zentrale beantragt werden.
Es ist wichtig, dass sich Reisende vor Antritt ihrer Reise über die spezifischen Bestimmungen und Möglichkeiten der jeweiligen Verkehrsträger und Kommunen informieren, um von den angebotenen Erleichterungen bestmöglich zu profitieren.