Schwerbehinderung: Rechte und Ansprüche im Überblick

Schwerbehinderung bezeichnet in Deutschland einen Status, der Menschen mit langfristigen erheblichen Beeinträchtigungen rechtliche Nachteilsausgleiche gewährt. Dieser Status wird durch das Versorgungsamt festgestellt, wenn ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 von 100 anerkannt ist. Die Einstufung als schwerbehindert hat das Ziel, betroffene Personen im Alltag, im Berufsleben und in der Gesellschaft zu unterstützen und ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen.

Die Feststellung der Schwerbehinderung erfolgt auf Antrag des betroffenen Menschen bei dem zuständigen Versorgungsamt. Der Grad der Behinderung wird anhand eines medizinischen Gutachtens ermittelt, das die körperlichen, geistigen und seelischen Einschränkungen berücksichtigt. Ein Schwerbehindertenausweis dient als Nachweis und bietet verschiedene Vergünstigungen und Schutzrechte wie Steuererleichterungen, zusätzlichen Urlaub oder besonderen Kündigungsschutz im Berufsleben.

Das Schwerbehindertenrecht ist in Deutschland im Sozialgesetzbuch IX geregelt, welches die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zum Inhalt hat. Es sieht vor, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von schwerbehinderten Menschen zu fördern und Benachteiligungen zu vermeiden. Dazu gehören auch die Förderung der Erwerbsfähigkeit und Unterstützung bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz.

Definition von Schwerbehinderung

Unter Schwerbehinderung versteht man in Deutschland ein langfristiges Abweichen der körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand, welches zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben führt. Laut §2 Abs. 2 SGB IX wird ein Mensch dann als schwerbehindert eingestuft, wenn sein Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 beträgt und er in Deutschland seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz nach deutschen Recht hat.

Wesentliche Aspekte der Schwerbehinderung:

  • Grad der Behinderung (GdB): Misst auf einer Skala von 20 bis 100, wie stark die Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einschränkt.
  • Gesundheitsstörungen: Müssen länger als sechs Monate bestehen und in absehbarer Zeit nicht vorübergehen.
GdB Auswirkung auf Teilhabe
20-40 Gilt als Behinderung
Ab 50 Gilt als Schwerbehinderung

Personen mit einem GdB von unter 50, aber mindestens 30, können unter bestimmten Voraussetzungen einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie ohne die Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten könnten.

Die Anerkennung als schwerbehinderte Person erfolgt durch das Versorgungsamt oder die für die Sozialverwaltung zuständige Behörde des Wohnortes. Hierfür ist ein Antrag notwendig, dem ein ärztliches Gutachten beigelegt werden kann. Die Entscheidung über den Grad der Behinderung trifft der zuständige Versorgungsmediziner auf Grundlage der Versorgungsmedizinischen Grundsätze.

Rechtliche Grundlagen

Die rechtlichen Grundlagen der Schwerbehinderung in Deutschland sind im Sozialgesetzbuch festgelegt und definieren die Ansprüche und den Umgang mit dem Schwerbehindertenausweis sowie die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.

Sozialgesetzbuch

Das Sozialgesetzbuch (SGB), speziell das SGB IX, ist die gesetzliche Basis für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Es regelt unter anderem Grad der Behinderung (GdB), die Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe und das Feststellungsverfahren.

Schwerbehindertenausweis

Der Schwerbehindertenausweis wird auf Grundlage des SGB IX ausgestellt. Er dient als Nachweis der Behinderung und beinhaltet Informationen über den GdB sowie über eventuelle Merkzeichen, die bestimmte Nachteilsausgleiche begründen.

Gleichstellung mit Schwerbehinderten

Die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen kann bei einem GdB von 50 bis unter 60 beantragt werden. Sie zielt darauf ab, die Nachteile im Arbeitsleben auszugleichen und so die berufliche Integration zu fördern. Zuständig sind die Agenturen für Arbeit, und die Grundlage bildet § 2 Abs. 3 SGB IX.

Vorteile und Nachteilsausgleiche

Personen mit einer Schwerbehinderung stehen in Deutschland bestimmte Vorteile und Nachteilsausgleiche zu, die dazu dienen, ihre Lebenssituation zu verbessern und sie am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt teilhaben zu lassen.

Steuerliche Erleichterungen

Menschen mit einer Schwerbehinderung haben Anspruch auf erhöhte steuerliche Freibeträge. Diese richten sich nach dem Grad der Behinderung und können den zu versteuernden Einkommensbetrag mindern. Bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 bis 70 können Freibeträge von 310 bis 1.060 Euro in Anspruch genommen werden, während bei einem GdB von 100 erhöhte Freibeträge bis zu 1.420 Euro geltend gemacht werden können.

Zusätzlicher Urlaub

Arbeitnehmer mit einer Schwerbehinderung haben Anspruch auf zusätzlichen Urlaub. Ihnen steht gesetzlich ein Mehrurlaub von fünf Arbeitstagen pro Jahr bei einer Fünf-Tage-Woche zu. Dieser zusätzliche Urlaub soll ihnen Gelegenheit geben, sich von den zusätzlichen Belastungen durch die Behinderung zu erholen.

Kündigungsschutz

Ein besonderer Kündigungsschutz besteht für schwerbehinderte Arbeitnehmer. Sie genießen einen erweiterten Schutz vor Kündigungen, der bereits mit der Anerkennung der Schwerbehinderung beginnt. Im Falle einer beabsichtigten Kündigung muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes einholen, wobei die Interessen des Arbeitnehmers besonders berücksichtigt werden.

Parkerleichterungen

Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung oder Blindheit haben Anspruch auf spezielle Parkerleichterungen. Sie dürfen auf Parkplätzen für Behinderte parken und von Ausnahmegenehmigungen profitieren, wie längere Parkdauern oder das Benutzen von Anwohnerparkzonen. Entsprechende Berechtigungsnachweise wie der blaue EU-Parkausweis müssen sichtbar im Fahrzeug ausgelegt sein.

Feststellungsverfahren

Das Feststellungsverfahren ist ein formaler Prozess, bei dem das zuständige Versorgungsamt den Grad der Behinderung (GdB) bewertet und anerkennt. Die Schritte umfassen die Antragstellung, die Möglichkeit des Widerspruchs und die Festlegung des GdB.

Versorgungsamt

Das Versorgungsamt ist die zuständige Behörde, die für die Durchführung des Feststellungsverfahrens verantwortlich ist. Sie prüft den Antrag auf Schwerbehinderung und entscheidet über den zuerkannten Grad der Behinderung.

Antragstellung

Zur Antragstellung muss ein formelles Dokument beim zuständigen Versorgungsamt eingereicht werden. Notwendige Unterlagen können beinhalten:

  • Persönliche Daten des Antragstellers
  • Medizinische Berichte
  • Nachweise über die Behinderung

Widerspruchsverfahren

Falls der Antragsteller mit dem Bescheid des Versorgungsamts nicht einverstanden ist, besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Dieses Widerspruchsverfahren eröffnet die Chance auf eine erneute Prüfung des Falles.

Grad der Behinderung (GdB)

Der Grad der Behinderung (GdB) quantifiziert die Beeinträchtigung auf einer Skala von 20 bis 100. Er ist ausschlaggebend für die Anerkennung einer Person als schwerbehindert (ab einem GdB von 50) und bestimmt die Ansprüche auf bestimmte Nachteilsausgleiche.

Integration in das Arbeitsleben

Die erfolgreiche Integration von Menschen mit Schwerbehinderung in das Arbeitsleben erfordert koordinierte Bemühungen verschiedener Instanzen und Maßnahmen, die eine gleichberechtigte Teilnahme am Arbeitsmarkt gewährleisten.

Integrationsamt

Das Integrationsamt spielt eine zentrale Rolle bei der Unterstützung der Arbeitsintegration schwerbehinderter Menschen. Es bietet finanzielle Hilfen für Arbeitgeber, um die Schaffung barrierefreier Arbeitsplätze zu fördern, und berät zu spezifischen Fördermöglichkeiten.

Beschäftigungspflicht von Arbeitgebern

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, eine bestimmte Quote ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern müssen mindestens 5% ihrer Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Bei Nichteinhaltung drohen ihnen Ausgleichsabgaben.

Arbeitsplatzgestaltung

Ein inklusiver Arbeitsplatz berücksichtigt die spezifischen Bedürfnisse schwerbehinderter Mitarbeiter. Dies kann technische Hilfsmittel, ergonomische Möbel oder flexible Arbeitszeiten einschließen, um einen gleichwertigen Zugang zur Arbeitsleistung zu ermöglichen.

Kündigungsschutzregelungen

Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Sie können nur mit Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Diese Regelung soll die Arbeitsplatzsicherheit erhöhen und vor diskriminierenden Kündigungen schützen.

Schwerbehindertenvertretung

Die Schwerbehindertenvertretung ist eine wesentliche Institution in Unternehmen ab einer bestimmten Größe, die sich für die Belange schwerbehinderter Mitarbeiter einsetzt. Ihre Aufgaben sind vielfältig und gesetzlich im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) verankert.

Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung:

  • Interessenvertretung: Sie vertritt die Interessen schwerbehinderter Menschen im Betrieb.
  • Beratung: Sie berät bezüglich der Eingliederung, Arbeitsplatzgestaltung und weiteren relevanten Themen.
  • Integration: Sie unterstützt bei der Integration in das Arbeitsumfeld und fördert Inklusion.

Wahl und Zusammensetzung:

  • Wahlrecht: Wahlberechtigt und wählbar sind schwerbehinderte Menschen des Unternehmens.
  • Amtszeit: Die Amtszeit beträgt vier Jahre.
  • Team: Ab einer Anzahl von fünf schwerbehinderten Menschen im Unternehmen wird eine Vertretung gewählt.

Rechte der Schwerbehindertenvertretung:

  • Mitbestimmungsrecht: Sie hat das Recht, bei allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen betreffen, mitzubestimmen.
  • Anhörungsrecht: Sie muss vor Entscheidungen, die schwerbehinderte Beschäftigte betreffen, angehört werden.
  • Unterstützung: Sie hat Anspruch auf Unterstützung durch den Arbeitgeber, etwa in Form von Schulungen.

Die Schwerbehindertenvertretung spielt eine wichtige Rolle, um Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu gewährleisten und auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben zu achten. Sie wirkt als Bindeglied zwischen schwerbehinderten Mitarbeitern, dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber.

Barrierefreiheit und Mobilität

Barrierefreiheit ist ein zentrales Anliegen für Menschen mit Schwerbehinderung. Sie erleichtert den Alltag und ermöglicht eine selbstständigere Lebensführung. Mobilität ist ein wesentlicher Aspekt der Barrierefreiheit. Sie umfasst öffentliche Verkehrsmittel, Gebäudezugänge und persönliche Fortbewegungsmittel.

Öffentliche Verkehrsmittel sollten folgende Kriterien erfüllen:

  • Niederflurbusse und ebenerdige Züge für einen stufenlosen Zugang
  • Taktile Leitsysteme auf Bahnsteigen für sehbehinderte Personen
  • Audiovisuelle Ansagen innerhalb der Fahrzeuge

Bei der Gestaltung von Gebäuden spielt Barrierefreiheit ebenfalls eine große Rolle:

  • Rampen oder Aufzüge als Alternativen zu Treppen
  • Automatische Türsysteme zur einfacheren Bedienung
  • Behindertengerechte Toiletten, mit genügend Raum für Hilfsmittel

Für die individuelle Mobilität sind folgende Aspekte wichtig:

  • Behindertengerechte Parkplätze, die nah am Zielort liegen
  • Anpassungen in Autos, wie Handbediengeräte für Gas und Bremse
  • Elektrische Rollstühle oder Scooter, die eine eigenständige Fortbewegung ermöglichen

Hierdurch wird die Teilhabe am öffentlichen Leben für Menschen mit Schwerbehinderung wesentlich verbessert. Hindernisse und Barrieren können aber immer noch auftreten, daher ist eine kontinuierliche Verbesserung der Bedingungen unerlässlich.

Internationale Aspekte

Schwerbehinderung ist ein globales Thema, das in verschiedenen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird.

Definitionen und Anerkennungsverfahren: Länder haben eigene Definitionen und Anerkennungsverfahren für den Status einer Schwerbehinderung. In der Regel berücksichtigen sie den Grad der Behinderung und dessen Einfluss auf das Leben der betroffenen Person.

  • Europa: Die Europäische Union strebt eine Harmonisierung der Rechte von Menschen mit Behinderungen an. Artikel 26 der UN-Behindertenrechtskonvention wird oft als Leitlinie herangezogen.
  • USA: Der Americans with Disabilities Act (ADA) definiert und schützt die Rechte von Menschen mit Behinderungen, greift jedoch nicht ausdrücklich die Schwerbehinderung auf.

Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen: Arbeitnehmerschutzgesetze variieren stark. Einige Länder haben spezifische Quotenregelungen für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen.

  • Deutschland: Arbeitgeber mit mehr als 20 Angestellten müssen eine Quote von 5% Schwerbehinderten erfüllen oder eine Ausgleichsabgabe leisten.
  • Italien: ähnlich einem Quotensystem, aber mit verschiedenen Prozentsätzen und Ausnahmen.

Soziale Unterstützungssysteme: Soziale Sicherungssysteme dienen oft als finanzielle und soziale Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung.

  • Skandinavische Länder: Sie bieten ein umfassendes Wohlfahrtssystem mit starkem Schutz für Menschen mit Behinderungen.
  • Entwicklungsländer: Oft sind die Unterstützungsleistungen begrenzt und nicht flächendeckend vorhanden, was internationale Organisationen zum Handeln anregt.